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aus dem Verband
Verein ohne Vorstand – was geschieht dann?
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Die in der Gesellschaft verstärkt zu beobachtenden – vornehm ausgedrückt – Individualisierungstendenzen („Nur ich allein krieg vom Besten das Meiste“) schlagen zunehmend auch in unseren Vereinen durch: Ich will einen Garten und dann meine Ruhe – auch vor dem Verein. Verstärkt werden die daraus resultierenden Probleme noch dadurch, dass nun die Gründungsgeneration in vielen Vereinen, die mit eigener Hände Arbeit die Anlagen aufgebaut hat und daher das Erreichte zu schätzen weiß, altersbedingt ausscheidet und die Neuen das Vorhandene als selbstverständlich und mit der Ablösesumme für die Parzellenausstattung auch gleich als mitbezahlt ansehen.
Durch dieses mangelnde Vereinsbewusstsein und die wenig oder überhaupt nicht vorhandene Einsicht, dass auch die von allen Pächtern genutzten Gemeinschaftseinrichtungen gepflegt und erhalten werden müssen, wird das „Ehrenamt“ der Funktionsträger zunehmend zu einem „Ärgeramt“ mit der Folge, dass sich immer weniger Mitglieder bereitfinden, für den Vorstand oder andere wichtige Funktionen im Verein zu kandidieren und sich unbezahlt „quälen“ zu lassen.
Die in letzter Zeit immer öfter an den Landesverband herangetragene Frage: Was passiert mit der Anlage, wenn wir keinen Vorstand mehr finden? wird im Folgenden beantwortet:
Zuerst ein Blick in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), und zwar in § 26 – Vorstand und Vertretung:
Dort ist im Absatz 1 zu lesen: Der Verein muss einen Vorstand haben. Der Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich; er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters.
Also: Ohne Vorstand als gesetzlichen Vertreter gibt es keinen Verein!
Da aber alle Verträge angefangen vom Generalpachtvertrag des Vereins mit dem Grundstückseigentümer – üblicherweise der Kommune – über die Anlagenfläche bis zu den Unterpachtverträgen des Vereins mit den Pächtern über die einzelnen Parzellen vom Vorstand als gesetzlichen Vertreter des Vereins unterschrieben sind, werden sie mit dem Erlöschen des Vereins ebenso „wirkungslos“, d.h. die Anlagenfläche als solche fällt wieder zurück an den Grundstückseigentümer und dann gelten auch eventuell im Generalpachtvertrag verankerte Bedingungen über den Zustand der Fläche bei Rückgabe an den Eigentümer.
Und hier ist häufig festgelegt, dass die Fläche in vollständig beräumtem Zustand zurückgegeben werden muss, d.h. es muss nicht nur das Vereinseigentum wie Vereinsheim, Wegeflächen, Wasserversorgung, etc. auf Vereinskosten zurückgebaut werden, sondern auch alle Pächter müssen ihre Parzellen entschädigungslos (!) und komplett abräumen – einschließlich Laubenfundamenten, Mauern und Gehölzen samt Wurzelstöcken.
Ohne Vorstand kein Verein und ohne Verein keine Kleingartenanlage!
Nun wird ein Verein aber nicht gleich „beerdigt“, wenn sich für die Vorstandswahlen bei einer Mitgliederversammlung keine Kandidaten finden.
Dies muss sofort dem zuständigen Amts-(Register-)Gericht mitgeteilt werden, weil der Verein ohne rechtliche Vertretung handlungsunfähig ist, weil ohne Vorstand keine (Pacht)Verträge abgeschlossen werden, keine Abmahnungen geschrieben und auch keine Kündigungen wirksam entgegengenommen werden können – vom „Einfrieren“ der Finanzen einmal ganz abgesehen.
Zwar ist der bisherige Vorstand eigentlich verpflichtet, seine Aufgaben trotz Amtszeitablaufs oder Rücktritts in einer solchen Notsituation bis zur Wahl eines neuen Vorstands weiterzuführen, er kann aber bei Vorliegen gewichtiger Gründe wie z.B. Gesundheitsprobleme nicht dazu gezwungen werden.
Üblicherweise beruft der „nothandlungsberechtigte“ Vorstand nach einer gescheiterten Mitgliederversammlung zeitnah eine Außerordentliche Mitgliederversammlung wieder mit dem TOP Neuwahlen ein und wenn auch dann die Ämter nicht besetzt werden können, wird das zuständige Registergericht tätig, indem es einen „Notvorstand“ ernennt (§ 29 BGB – Notbestellung durch Amtsgericht).
Dies ist meist eine im juristischen Bereich tätige dafür geeignete Person, die dann die Vereinsführung zumindest für eine gewisse Zeit übernimmt – natürlich kostenpflichtig!
Dieser Notvorstand wird nochmals versuchen, in einer Außerordentlichen Mitgliederversammlung ein Vorstandsteam wählen zu lassen und falls das wiederum scheitert, wird der Verein liquidiert mit den oben schon beschriebenen möglicherweise drastischen Folgen.
Nun gibt es auch Pächter, die sich für ganz schlau halten und darauf spekulieren, dass der Grundstückseigentümer – die Kommune – die Verwaltung der Anlage selbst übernimmt und die Kleingartenpachtverhältnisse weiterführt.
Nach dem Bundeskleingartengesetz (BKleingG) § 4 – Kleingartenpachtverträge wäre das zumindest theoretisch möglich – siehe Absatz 2 Satz 2:
Ein Zwischen[= Unter]pachtvertrag, der nicht mit einer als gemeinnützig anerkannten Kleingärtnerorganisation [= Kleingartenverein] oder der Gemeinde geschlossen wird, ist nichtig.
Allerdings gibt es wohl keine Kommune in Baden-Württemberg, die „dank“ der auch den Städten und Gemeinden wie unseren Vereinen von der Politik aufgezwungenen immer schweren Verwaltungslasten noch über so viel freie Personalkapazitäten verfügt, dass sie nebenher auch noch eine Kleingartenanlage managen kann.
Es ist eher folgende Entwicklung anzunehmen:
Einmal könnte die Kommune das Erlöschen des Kleingarten-Generalpachtvertrages dazu nutzen, die Anlage in eine Freizeitgartenanlage umzuwidmen und so die Pachtpreisbegrenzung durch das BKleingG auszuhebeln – und aus diesem Grund beurteilt der Landesverband auch die „Luxusausstattung“ der Einzelparzellen mit Strom und die schwindende Bereitschaft zur Umsetzung der Kleingärtnerischen Nutzung als sehr kritisch und gefährlich!
Zudem würde damit auch der sehr weitgehende Kündigungsschutz – im Normalfall lebenslange Pachtverträge – durch das BKleingG wegfallen.
Dann könnte sie mangels eigener Personalkapazität die Verwaltung der Anlage extern z.B. an einen Immobilienverwalter vergeben, natürlich auf Kosten der Pächter. Und wer mit diesem Personenkreis schon einmal zu tun hatte – z.B. als Eigentümer oder Mieter einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus – weiß, dass deren Rechnungen nicht aus der Portokasse bezahlt werden können.
Und ein solcher Verwalter wird sich garantiert nicht von seinem Schreibtisch erheben und in der Anlage die Gemeinschaftsarbeit organisieren, sondern alle Arbeiten, die für die Pflege und den Erhalt der Anlage anfallen, z.B. an Gartenbaufirmen vergeben – und das bezahlen auch wieder einzig und alleine die Pächter.
Um einen größenordnungsmäßigen Eindruck der dann auf die Pächter zukommenden Kosten zu gewinnen, hier die aufgrund von Angeboten basierend auf eine Kleingartenanlage mit durchschnittlicher „Ausstattung“ abgeschätzten jährlichen Kosten pro 3 ar-Parzelle (Pflegearbeiten, Verwaltung und Freizeitgarten-Pacht): Mindestens 700 bis 1.000 € – in Worten: Siebenhundert bis eintausend Euro!
Und damit ist die historisch gewachsene und dem BKleingG zugrundeliegende Idee des Kleingartenwesens, nämlich sozial schlechter gestellten Personen, die sich keinen eigenen Garten kaufen können, zu einem erschwinglichen Pachtgarten zu verhelfen, gestorben und damit auch ein über 150 Jahre altes soziales – und durch die Selbstverwaltung der Vereine auch demokratisches Erfolgsmodell. Einhundertundfünfzig Jahre Ehrenamt – die Arbeit von mindestens fünf Generationen – ist dann schlicht umsonst gewesen, weil an den Nachfolgern gescheitert.
Sie als Pächter haben das Schicksal Ihres Vereins und damit auch Ihres Kleingartens in Ihrer eigenen Hand: Sie können das von vielen fleißigen Händen Aufgebaute unwiederbringlich zerstören, indem Sie durch destruktives Verhalten den für den Verein unabdingbaren Funktionsträgern das Leben schwer machen oder Sie können das Geschaffene erhalten und weiterentwickeln, wenn Sie sich konstruktiv mit Herz und Hand in den Verein einbringen.
Sie haben die Wahl!
Harald Schäfer, Fachberatung
Aufgepasst! – Verein ohne Vorstand
Aufruf an alle Gartenfreund*Innen